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ZEIG DOCH 

          MAL POSITIV, 

                 WIE DU MIT                              SCHMERZ UMGEHST

 

 

Premiere:  24.1.2013, 

Vorstellungen: 25.1. / 26.1.

(NIAS -Solo im Anschluss  am 26.1.)

Zusatzvorstellungen: 1. - 3. März 2013

im TD / Theaterdiscounter



Mit Dominik Meder / Simone Jaeger (Gina-Lisa Maiwald)

Hanna Eichel / Juliane Bartsch / Thomas Schmidt

Regie & Text Malte Schlösser / Künstlerischer Mitarbeit Konstantina Meurs / Dramaturgie Annika Sembritzki / Kostüm Stefan Sommer / Lichtgestaltung & Tontechnik Dirk Bathe / Plakat & Foto Kim Bode / Regieassistenz Stephanie Bladt

 

 

--- Ich, also mein Schmerz, meine Subjektkonstitution, die landet immer in diesen alten harten Drama-Gesten oder in dieser postdramatischen Ironiekritik, aber Leute, das verarztet mich irgendwie so nicht, wo bleibt die Umarmung, die auch nicht weiss, wie es geht, das Symbol als gelebter Körper, statt dieser kreativökonomischen Kunstkunstkunst, die uns freispricht das zu tun, was sie immer proklamiert.

Ich halte diese Sauberkeitsbiografien einfach nicht aus, vor allem dann nicht, wenn es da in mir drin irgendwo unangenehm gegen mich selbst revoltiert und ich Positivbeispiele für diese Schmerzen suche. Du lebst doch auch nur weiter, weil du irgendsolche verinnerlicht hast. Aber gelten deine auch für mich? Dein Leben ist sicher ein anderes als meines, du bist als Ganzes ja eventuell komplett anders. Wer bist du überhaupt? Wie machst du das da? Vielleicht gibt es Schnittstellen, vielleicht kann ich dir zeigen, wie ich es mache und du mir, wie du und es trifft sich was, eine verabredete Nachahmung oder gespielte Gemeinsamkeit zum Beispiel...

 

 

 

Von Annika Sembritzki (Dramaturgie):

 

Klarsicht, Weitsicht, Übersicht. Ordnung. Das ist was wir brauchen, um unser Leben zu gestalten und unseren Alltag auszustatten. Und das ist, was wir erwerben können, indem wir uns bilden, das Gespräch suchen oder ins Theater gehen, diskutieren. Und man sollte meinen, dass die Fähigkeiten, mit denen wir uns ausstatten, unserem Leben eine gewisse Sicherheit garantieren. Dass wir uns umschauen können und uns sicher mit beiden Beinen auf dem Boden verankert fühlen. Und dass sie uns befreien, von einer grundlegenden Erschütterung, die unser Leben von einer Sekunde auf die Nächste komplett auf den Kopf stellen könnte - einfach durch einen einzigen Satz oder ein einziges Wort, durch eine Geste. Um nicht jedes Mal wieder, wenn der Schmerz auftaucht, so unfassbar überfordert mit ihm zu sein und uns ihm so grenzenlos ausliefern zu müssen.

 

Man sollte meinen, dass unsere Grundpfeiler, die wir uns antrainieren und die unser Leben lang bestehen, die wir schon als Kinder erlernen und niemals aufgeben, stabil sind, und tatsächlich, ihrem Anspruch nach, in der Lage sind Leben gestaltbar zu machen. Vor Überforderung sollen sie feien, und auch vor dem Scheitern. Aber das gelingt ihnen nicht. Dinge, die uns massiv erschüttern können, bleiben bestehen. 

 

Wie auch Kultur sich stets selbst hinterfragen muss und wie auch Kultur jedes Mal in jeder einzelnen Erscheinungsform angreifbar wird und nur einen kleinen Schritt zu weit wagen müsste, um Gefahr zu laufen weit weit hinter sich zurück zu fallen – genau so sind wir unseren Sicherheiten ausgeliefert. Wenn wir denken, wir wären auf der sicheren Seite, dann genügt eine Kleinigkeit, die uns an unseren Grundfesten so erschüttert, dass wir geradezu bewegungslos werden. Und trotzdem halten wir ja fest an unseren Gesten und unseren Angewohnheiten und verlassen uns auf sie. Wir wissen aber: Hin und wieder werden wir heimgesucht von diesem Gefühl der Erschütterung, diesem absoluten Gefühl von Schmerz. Das sucht uns dann heim, und wir halten es dann aus, und wir kramen dann in unseren Schubladen und in unseren Köpfen und in unseren Gefühlen nach den Mustern, an denen wir uns entlang hangeln, um ihn aushalten zu können. Wir suchen Sicherheiten, Ordnungsprinzipien und unsere eingeübten Fröhlichkeiten und eingeübten Hilfestellungen und Floskeln – wir berufen uns auf all diese Gesten dann so viel stärker als wir es ohnehin tun, weil wir davon eine Absolution erhoffen.

 

Man könnte tatsächlich glauben, dass dieses vermeintliche Zurückfallen in die Unsicherheit in irgendeiner Weise eine Abspaltung bedeutet, von dem was unser Selbst ausmacht - als würden wir in einen fremden Zustand übergehen. Es ist aber etwas anderes. Es ist nicht nur das. Es ist nicht nur dieses Gefühl des Überwältigtseins vom Schmerz und der Unfähigkeit zu handeln und zu reagieren, sondern es ist auch ein Angebot, das man wahrnehmen kann und dem man sich gegebenenfalls überantworten könnte.

 

Wir sollten davon ausgehend einen Versuch wagen, in dem wir die Möglichkeit bekämen, den Schmerz nicht einfach als ein grenzenloses Scheitern zu begreifen, das nichts als Leere wäre, sondern als ein Scheitern, dem wir uns hingäben, um eine neue Art der Erfahrung zu machen und uns auf eine neue, gewinnbringende Weise mit uns auseinander zu setzen.

Unsere Angst besteht ja nicht nur in Zeiten, in denen der Schmerz auftaucht, sondern viel heftiger noch in solchen, in denen er nicht da ist, und in denen wir fürchten, er könne wiederkehren, und er könne wieder, in nicht absehbarem Ausmaß, uns den Boden unter den Füßen rauben. 

Wir möchten daher versuchen, in einer Art der Hingabe zu probieren, wie es denn eigentlich ist, Schmerz tatsächlich zu erfahren und ihn zu einer Erfahrung und Empfindung unseres Selbstes zu machen, ohne esoterisch zu sein oder ein großes psychologisches Experiment zu riskieren. 

 

Vielmehr geht es um einen einzigen integrativen Moment. Um den Wunsch von Einbindung. Und Komplettierung. Weil wir im Grunde wissen, dass dieser Schmerz, der uns ja doch wieder und wieder einholt, kaum etwas von uns Verschiedenes ist, denn sonst könnte er uns doch kaum stets aufs Neue wieder berühren und erschüttern.

 

In unseren Gewohnheiten und unseren Gemütlichkeiten sind wir ja durchaus in der Lage gewisse Schmerzarten zu bewältigen und wir haben dadurch ein wenig unserer Angst vor ihnen verloren. Vor einigen mehr und vor anderen weniger, aber grundsätzlich wissen wir, wie wir uns zu verhalten haben: Dass wir nicht mit offenem Feuer spielen dürfen, dass wir auf die Menschen, die wir lieben, aufpassen müssen, um sie nicht zu verlieren, dass wir unser Leben organisieren müssen, ob uns das passt oder nicht – wir haben dafür Raster. Muster. Beinahe Schablonen dafür, wie wir uns verhalten können, und wie wir es schaffen können, Schmerz auf verschiedene Weisen zu ertragen und auszuhalten, ohne von ihm komplett niedergedrückt oder in unseren Grundfesten erschüttert zu werden. Wir haben das gelernt.

 

Trotzdem gibt es einen Schmerz der wiederkehrt. Einen, der den antrainierten, höfischen, manipulierten Fassaden widersteht. Er entspringt aus einem anderen Punkt, der nicht unser kleines alltägliches Leben meint: Nicht das, was wir uns schaffen. Nicht das, was kontingent ist. Nicht das, was veränderbar ist und stets im Wandel. Sondern ein Schmerz, der die Grundfesten unseres Seins berührt. Genau an dem Punkt, wo wir nichts entgegen setzen können, an dem Punkt, wo wir alleine sind mit uns selbst, unserem existentiellen Ausgeliefertsein, dass jede Minute erinnert, dass wir endlich sind in unserem Dasein, eingebunden in einen Zusammenhang, der uns immer unbegreiflich sein wird, und in dem wir zurückgeworfen werden auf unser Selbst.

 

Unsere selbstgebauten Sicherheiten erweisen sich als unvollständig. Sie leisten Hilfestellung und schützen vor dem Fall. Aber sie bewahren uns nicht vor der Auseinandersetzung mit dem tatsächlichen Leben. Nutzen wir sie als Prothesen. Aber nur als solche.

 

 

 

Wir danken laut und herzlich:

 

Hans Kosanetzky von SoLeKu

Pedram Pajouh, 

Leif Marcus für die Fotos!!

Heike & Michael, 

Theaterhaus-Mitte,

Somatische Akademie,

Johann Jürgens,

Anne & Sinisa,

Stephan Rau  

 

 

 

 

 

 

                                           

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